Vorwärts – Die sozialistische Wochenzeitung, 43/2003

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Plakate in Bewegung

Rostgard/Martinez spi. Am 31. Oktober wird das Buch «Das trikontinentale Solidaritätsplakat – ein Zeitspiegel der Befreiungskämpfe im Trikont» im Technopark Zürich vorgestellt. Der Vorwärts hat mit den OSPAAAL-Gestaltern Alfredo G. Rostgaard und Olivio Martínez gesprochen, die ihre beiden für die Promotion des Buches gestalteten Plakate präsentieren werden.

Welche Wurzeln hat die Organisation der Solidarität mit Afrika, Asien und Lateinamerika (OSPAAAL)?
Alfredo Rostgaard (A): OSPAAAL wurde 1967 als NGO gegründet mit dem Ziel, die Solidarität zwischen den drei Kontinenten Asien, Afrika und Lateinamerika zu organisieren.
Olivio Martínez (O): Die Organisation hat seit der Gründungskonferenz ihren Sitz in Kuba. Ihr angehängt sind auch die ständigen Delegationen der teilnehmenden Gruppen aus aller Welt. Regelmässig finden Kongresse der Delegierten statt.
A: Alle zwei Monaten wird die Zeitschrift Tricontinental herausgegeben. Sie enthält, in vier Sprachen, neben besagten Plakaten hauptsächlich politische Texte zu Befreiungsbewegungen in den drei Kontinenten sowie zu Neoliberalismus und Privatisierungen.
Unsere Mitgliedsorganisationen beziehen sich im Unterschied zur ICAP immer auf die Befreiungsbewegungen in den drei Kontinenten. ICAP, das Kubanische Institut für die Freundschaft zwischen den Völkern, ist eine der OSPAAAL ähnliche Organisation, die jedoch die Unterstützung konkreter Projekte – Spitäler, Schulen – durch den Westen organisiert.
Dann gibt es noch die Editora Politica (EP). EP ist aber eine staatliche Organisation, die mit der Propaganda der Kommunistischen Partei Kubas betraut ist.

Das hat sich in den Neunziger Jahren verändert. Wie beurteilt ihr diesen Wechsel?
A: Ja, das stimmt. Wir haben uns der Zeit angepasst. Anfangs war es noch ein Kampf gegen die Kolonialmächte, doch inzwischen sind die meisten Kämpfe zur nationalen Befreiung gewonnen. Nicht, dass die Kämpfe aufgehört hätten, doch deren hauptsächliches Ziel hat gewechselt.
O: In vielen Ländern existieren die Bewegungen gar nicht mehr, die zur Gründung von OSPAAAL führten. Die heutigen Interessen konzentrieren sich auf globalere Themen wie Neoliberalismus oder die Privatisierungsdiktate des IWF und anderer internationaler Organisationen. Nimm das Beispiel des Interamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA). Die USA versuchen, damit direkt auf die anderen Staaten Einfluss zu nehmen, um sie besser verwalten, ausbeuten zu können.
Diese neue Verwaltungsformen zerstören auch den kulturellen Reichtum der einzelnen Länder: Die Identifikation der Einzelnen mit ihrer Umgebung geht immer mehr verloren. Darum hat sich das grundsätzliche gemeinsame Ziel geändert, in Salvador wie in Bolivien, in Kolumbien wie in Mexiko, hin zur Bekämpfung des Neoliberalismus und der Privatisierung. Diese Kämpfe sind zentral, und es braucht noch mehr Anstrengungen, um die daraus folgenden Problemen zu lösen. Kuba unterstützt diesen Kampf technisch und logistisch, so auch in einem neuen Papier zur Unterstützung des bewaffneten Kampfes heute. Dieser Kampf hat sich verändert – und er geht weiter.
A: Einfach ausgedrückt haben wir auf der einen Seite ein Nordamerika des Präsidenten Bush, der die Schraube anzieht und schwierige Situationen provoziert. Und auf der anderen Seite die Hoffnung durch neue Bewegungen, die mit neuen Mitteln gegen dieses USA des Herrn Bush mobilisieren, auf der Handelsebene wie auch mit Austauschprojekten.
O: Dies kann man am Beispiel Uruguay gut nachvollziehen. Kuba unterstützt die dortige Bevölkerung mit einem Impfprogramm gegen Hepatitis B. Auf Druck der USA verbot zwar Uruguay das Programm, doch beendet wurde es nie: Es entspricht den dringenden Bedürfnissen der Bevölkerung und läuft deshalb heute noch. Auch in anderen zentralamerikanischen Staaten ist Kuba heute noch stark engagiert.

Befreiungsbewegungen und ihre gemeinsamen Inhalte über drei Kontinente hinweg: Ist diese Programmatik der Grund des Erfolges der OSPAAAL-Plakate?
A: Sicherlich. Daneben scheint mir aber wichtig, dass wir es auch im Formellen geschafft haben, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Unsere Plakate haben fast keine Texte und arbeiten mehr mit grafischen Bildern. Es handelt sich um visuelle Kommunikation.
Das macht die Plakate weltweit verständlich, auch dort – und das ist eine kulturelle Gemeinsamkeiten der angesprochenen Bewegungen – wo die Leute nicht schreiben und lesen, wo die Überlieferung eher mündlicher oder visueller Natur ist.
Doch die Plakate ohneText sind selten.Wir benützen vier Sprachen: Englisch, französisch, spanisch und arabisch. Die Sprachen der Kolonisatoren. Die Tausenden von Dialekten, die in den verschiedenen Ländern und Kontinente gesprochen werden, konnten als Alternative nicht dienen.
O: Was mir zum Beispiel in der Schweiz auffiel, ist, dass die Leute unsere Plakate verstehen. Sie brauchen nicht übersetzt zu werden. Sprachlich nicht, aber auch nicht von der Situation her. Man muss sich vorstellen: Plakate, die dreissig, manche gar vierzig Jahre alt sind. Und doch: Die Leute verstehen sie, auch in der Schweiz, wo ihre Situation ganz anders ist als bei uns. Du siehst, es klappt.

Das Plakat als politisches Programm. Warum dieses Buch? Warum gerade in der Schweiz?
O: Zum einen ist die Qualität, die Breite des vorliegenden Buches stimulierend. Dies ging nur dank den vielen Kontakten mit Lehrpersonen, Studierenden und KünstlerInnen, an die wir hier anknüpfen konnten.
Anderseits ist mir aufgefallen, dass viele in der Schweiz die Allgegenwart der Waffen störte, die immer wieder auf den Plakaten vorkommen. Doch die Waffe bedeutet für uns die einzige Alternative zur Unterwerfung, die uns – den Bewegungen – von den Regierenden, den Kolonialmächten, auferlegt wurde. Wir konnten sie nicht frei wählen. Es gab und gibt in vielen Situationen keine andere Option als den bewaffneten Befreiungskampf als Antwort auf Diktatur, Folter und Mord.
Wir haben uns an diesem Buch beteiligt und sind in die Schweiz gekommen, um diese Realität, unsere Realität vorzustellen, sie für die ganze Welt verständlich zu machen, zu bewahren und weiterzuentwickeln. Ganz in der Tradition der OSPAAAL. Die bisherige Erfolgsgeschichte spricht dafür, dass wir weitergehen.