junge Welt – Die Tageszeitung, 17.3.2004

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Revolution zum Anschauen: Eine Sammlung kubanischer Solidaritätsplakate

Die im Frühjahr 1966 in Havanna gegründete »Solidaritätsorganisation der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas« (OSPAAAL) verbreitete im April 1967 jenen weltberühmten Brief Che Guevaras, der die Forderung »Schafft zwei, drei, viele Vietnams« enthielt. Ein halbes Jahr später wurde Che in Bolivien ermordet. Helena Serrano reagierte darauf mit einem Plakat, auf dem Alberto Kordas Che-Foto auf den lateinamerikanischen Kontinent ausstrahlt. Es illustriert die von Che verfochtene Fokus-Strategie, nach der schwache revolutionäre Kräfte durch militärische Aktionen einen umfassenden Prozeß revolutionärer Umwälzung initiieren können. Eine Guerillakolonne, die als »kleiner Motor« den »großen Motor«, die Revolution, in Gang setzt.

Die OSPAAAL existiert noch heute. Seit 1967 haben insgesamt 52 Plakatgestalter in seinem Auftrag Hunderte Plakate hergestellt. Sie wurden als gefaltete Beilagen der Zeitschrift Tricontinental in fast allen Teilen der Welt vertrieben. Die kubanischen Plakatgestalter hatten und haben den Anspruch, weltweit Aufmerksamkeit zu erregen und verständlich zu sein ? auch für Menschen, die nicht lesen und schreiben können. In »Das trikontinentale Solidaritätsplakat«, einem Ende vergangenen Jahres in der Schweiz erschienenen, großformatigen Buch von Richard Frick, können nun über 300 Plakate dieses Kollektivs in großartiger Qualität betrachtet werden.

Laut Mirta Muñiz soll ein OSPAAAL-Plakat einen »Schrei an die Wand« bringen. Dazu mußten sich die kubanischen Gestalter von Traditionen frei machen. Vorbildhaft waren weder die von Elementen bombastischer Häßlichkeit durchzogenen Plakate des sowjetischen sozialistischen Realismus noch die folkloristische und hagiographische Naivität der chinesischen Politgrafiken geschweige denn die vulgäre Kommerzialität der US-Plakatkunst (imitiert an den Reklameflächen Europas oder Lateinamerikas).

Das OSPAAAL-Kollektiv entwickelte eine enorme Themenvielfalt und eine originäre, äußerst farbige Bildsprache. Am unteren Rand der Plakate befindet sich in der Regel das OSPAAAL-Logo, das von der »Bewegung 2. Juni« adaptiert und auf Erklärungen und Bekennerschreiben BRD-weit verbreitet wurde: eine Weltkugel, die auf einem ausgestreckten Arm zu ruhen scheint, der ein Gewehr hält.

Allgemein sind auf OSPAAAL-Plakaten häufig Waffen zu finden. Sie symbolisieren den bewaffneten Befreiungskampf.

Mitunter fand auch religiöse Symbolik Verwendung, etwa bei einem 1970 von Alfredo G. Rostaggaard gestalteten Plakat. Im Gedenken an den 1966 in Bolivien erschossenen Befreiungstheologen und Guerillero Camillo Torres zeigt es das Bildnis des Jesus mit Heiligenschein und geschultertem Gewehr.

Die Widersprüche innerhalb der revolutionären Bewegung werden auf OSPAAAL-Plakaten nicht thematisiert. Dafür sind sie nicht gemacht worden. Ihr politischer Blickwinkel stammt aus der Zeit der Konfrontation zwischen dem US-Imperialismus und den Staaten der »Dritten Welt«, die verschiedene Anstrengungen unternahmen, den Sozialismus aufzubauen.

Einer größeren Verbreitung der OSPAAAL-Plakate in der BRD stand die Tatsache entgegen, daß die Zeitschrift Tricontinental in Spanisch, Französisch und Englisch, nicht aber in Deutsch erschien. Wir von HKS 13 haben bei unseren umfangreiche Recherchen nur etwa 25 OSPAAAL-Plakate gefunden. Ihre geringe Präsenz in bundesdeutschen Archiven erklärt sich auch dadurch, daß sie als Sammlerobjekte sehr begehrt waren und bei Auktionen hohe Preise erzielten. Es ist paradox, daß eine Serie politischer Plakate, die sich an die Bevölkerung wirtschaftlich unterentwickelter und ehemals kolonialisierter Gesellschaften richtet, in den kapitalistischen Zentren derart zur Ware wurde.

Berücksichtigt man außerdem den Umstand, daß OSPAAAL die Plakate nie archiviert hat und manche im Original weder in Kuba noch sonstwo aufzutreiben sind, ist die Publikation Richard Fricks sehr verdienstvoll. Viele Arbeiten mußten anhand schwarz-weißer Vorlagen reproduziert werden. Als editorische Glanzleistung präsentiert Frick, der als Lehrer für Typographie an der Berufsschule für Gestaltung in Zürich arbeitet, nach jahrelanger Sammelarbeit sämtliche auffindbaren Plakate des OSPAAAL-Kollektivs in einem exzellent und aufwendig gedruckten Buch, das alles in den Schatten stellt, was es bislang an Darstellungen zum kubanischen Solidaritätsplakat gegeben hat.

HKS 13